GENOSSENSCHAFTS-Kommentar - interaktiv

GENOSSENSCHAFTS-Kommentar (GenKom) ist auch "interaktiv": Sie können uns gern Ihre Fragen zusenden. Sofern Fragen von allgemeinerem Interesse sind, werden wir diese - nebst unseren Antworten - ganz oder auszugsweise - veröffentlichen. Koordination/Redaktion: Gerd K. Schaumann

17.08.21

Verfassungsrechtliche Bedenken bei der Verschmelzung von Genossenschaften. Die Lösung: Kooperation statt Verschmelzung!


 

Der Kern des Themas:

Die Anzahl der Genossenschaften in Deutschland scheint zu stagnieren, während in anderen Ländern der EU die Genossenschaften enorm aufwachsen. Vergleichen wir Deutschland (unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Bevölkerungszahlen) mit Frankreich oder Italien, dann ist zu konstatieren: Wir sollten ca. 35.000 bzw. sogar 81.000 Genossenschaften in Deutschland haben. Tatsächlich sind es jedoch nur zwischen 7.700 bzw. 8.000 (!). Einer der Gründe, weshalb der Zuwachs an Genossenschaften stagniert, ist eine systematische „Verschmelzungs-welle“. Dabei entsteht ein interessantes Paradoxon: Die  „Gralshüter“ des Genossenschaftswesens scheinen sogar aktiver „Motor“ in diesem „Genossenschafts-Verschmelzungs-Monopoly“ zu sein. Deutlich dabei erkennbar: Das Verbandsinteresse.

Das wäre vielleicht nicht zu kritisieren, wenn dabei nicht originäre Mitgliederinteressen zur Disposition gestellt würden. Um solche und ähnliche – gewiss unbequeme – Vorhaltungen auszuräumen, sollten alle Seiten ein virulentes Interesse daran haben, zumindest Klarheit zu bekommen, dass so etwas verfassungsrechtlich in Ordnung ist. Eine Vertreterversammlung ist die Ausnahme, das Original ist und bleibt die Mitgliederversammlung (Generalversammlung). Wie wäre es, wenn alle Seiten erkennen würden, dass jetzt das Verfassungsgericht Klarheit bringen sollte. Der Beitrag ist nicht „für“ oder „gegen“ jemand, er dient einzig dazu, die Rechte der Souveräne in Genossenschaften (die Mitglieder) wieder zur Geltung zu bringen. Wie wäre es, wenn sich ALLE,  die qua Gesetz sich um ein zukunftsfähiges Genossenschaftswesen in Deutschland bemühen wollen, jetzt einen würden:

·       Gemeinsam Klarheit zu bekommen über die Stellung der Souveräne, die Mitglieder in den Genossenschaften!

Denn: Nur um die Mitglieder kann es gehen!

Wir laden alle Politiker, Verbandsfunktionäre, Vorstände, Aufsichtsräte und Mitglieder in Genossenschaften ein - hier und jetzt - mittels Verfassungsbeschwerde Klarheit zu schaffen. Was den deutschen Genossenschaften jetzt am wenigsten nützen würde ist:

·       Der bittere Nachgeschmack, Genossenschafts-Verbände könnten selbst ein Teil des Problems sein.

Das würde automatisch die Kräfte stärken, die seit längerem die Frage stellen:

·       Wäre es nicht dringend notwendig, das deutsche Genossenschaftsrecht endlich an die EU-Standards anzugleichen? …       

Frage (Essenz)

Ich bin Mitglied einer Genossenschaft, die nunmehr beabsichtigt, mit einer anderen Genossenschaft zu verschmelzen. Aufgrund dieser beabsichtigten Verschmelzung, deren Sinn ich und viele andere Mitglieder nicht erkennen,   habe ich – in Abstimmung mit anderen Mitgliedern – Vorstand und Aufsichtsrat gebeten, die Gründe - aus der Sicht der Mitglieder - für diese Maßnahme darzulegen. Dies ist jedoch abgelehnt worden und man verweist auf die Gesetzeslage, wonach die Vertreterversammlung zu entscheiden hätte.

Wir haben jedoch Zweifel, ob die Vertreterversammlung überhaupt befugt sein kann, faktisch über eine Auflösung unserer Genossenschaft zu entscheiden.

Sicherlich ist es gesetzlich möglich, eine Vertreterversammlung statt einer Generalversammlung (Mitgliederversammlung) einzurichten. Das Gesetz sieht aber auch vor, dass jederzeit die Vertreterversammlung wieder in eine (übliche) Generalversammlung „zurückgewandelt“ werden kann. Zahlreiche Mitglieder haben Bedenken, ob eine Vertreterversammlung überhaupt hinreichend befugtt sein kann, komplett die ursprüngliche Genossenschaft sozusagen aufzulösen. …

Ich und alle anderen Mitglieder sind in unsere Genossenschaft eingetreten, weil sie sich mit ihr identifiziert haben. Sie wären sicherlich kaum Mitglied geworden in einer weitaus größeren Genossenschaft, die unseren ursprünglichen Interessen kaum mehr entsprechen kann.…

Wir haben den Vorstand aufgefordert, zu einer Informationsveranstaltung einzuladen, was abgelehnt wurde, ebenfalls mit dem Hinweis, die „Vertreter“ wären informiert und das würde ausreichen.

Nunmehr ist erkennbar, dass man sogar mit Prozessen droht, wenn Mitglieder mit Mitgliedern in Kontakt treten wollen. Es werden Maßnahmen der Einschüchterung eingesetzt. Sogar der Datenschutz wird funktionalisiert. Das sind alles Maßnahmen, die einer Genossenschaft unwürdig sind und man argumentiert mit „Datenschutz“. Er dient aber nicht dem Schutz der Mitglieder und soll Angst auslösen, damit sich in der Mitgliedschaft kein „Widerstand“ formieren kann, der dazu führen könnte, dass die Genossenschaft letztlich doch eigenständig bleibt. …

Wir machen einzig von unseren Rechten als Mitglieder Gebrauch. ….

Inzwischen haben wir den Eindruck, dass es eigentlich nicht um das Wohl unserer Genossenschaft geht, sondern um die Interessen Dritter, in diesem Fall wohl die Verbände. …

Mit dem Vollzug einer Verschmelzung, wird unsere ursprüngliche Mitgliedschaft zur Genossenschaft A derart gravierend verändert, dass es angemessen wäre, wenn dazu alle Mitglieder besonders informiert und das Votum aller Mitglieder eingeholt würde. Nur dann wäre es z.B. möglich, dass die Mitglieder den von ihnen gewählten Vertretern Hinweise und Aufträge erteilen könnten. Bei der damaligen Wahl der Vertreter wurde den Mitgliedern nicht mitgeteilt, dass innerhalb der Wahlperiode diese Vertreter befugt sein könnten, sogar über eine Verschmelzung unserer Genossenschaften mit weitreichenden Folgen zu entscheiden. Es ist zu bezweifeln, dass die Zusammensetzung der Vertreter in der jetzigen Form überhaupt zustande gekommen wäre, wenn damals bekannt gewesen wäre, dass innerhalb der Wahlperiode quasi „Auflösungsentscheidungen“ bezüglich unserer Genossenschaft zu treffen wären. …

Es kann nicht hingenommen werden, dass z.B. bei solchen Entscheidungen einer Aktiengesellschaft, alle Aktionäre an der Entscheidungsfindung und Willensbildung teilnehmen können, während man in einer Genossenschaft fast alle Mitglieder ausschließt und die Entscheidungen von wenigen „Vertretern“ getroffen werden. …

Wir sehen insbesondere folgende Probleme, bei denen massiv in unsere Grundrechte (z.B. Eigentum, Vereinigungsfreiheit) eingegriffen wird:

·       Ohne Mitwirkungsmöglichkeit der Mitglieder wird ihre Genossenschaft sozusagen aufgelöst. Daraus entstehen zahlreiche Nachteile, auf deren Vermeidung die Mitglieder jedoch kein Recht haben, einzuwirken.

·       Man kann durchaus sagen: Das Grundrecht jedes Mitglieds auf Vereinigungsfreiheit wird durch eine Verschmelzung ausgehöhlt.

·       Außerdem erfolgt ein enteignungsgleicher Eingriff, denn für den Fall einer Auflösung unserer Genossenschaft (z.B. Liquidation) wären die Mitglieder durchaus am aufgebauten Gesamtvermögen beteiligt.

Außerdem gibt es genügend Möglichkeiten, andere Formen zu wählen, um ggf. unsere Genossenschaft zu stärken. Diese wurden jedoch überhaupt nicht zur Wahl gestellt. Es wird zwar behauptet, ist aber nicht bewiesen, dass eine Verschmelzung der beste und einzige Weg ist, um dauerhaft unsere Genossenschaft zu sichern. …

Wir haben den Eindruck, dass die Verschmelzung gezielt von außen „gesteuert“ wird und es nicht um die „Sorge“ um unsere Genossenschaft und/oder die Mitgliederinteressen geht, sondern um Interessen Dritter.

Wir erkennen immer mehr, dass „Verbandsinteressen“ vorrangig und Mitgliederinteressen nachrangig Bedeutung haben. …

So kann die grundgesetzlich geschützte Vereinigungsfreiheit einfach nicht gemeint sein!

Wie wäre dazu Ihre Meinung? 

 

Hinweis:

 

(Der Geamttext wird in der Zeitschrift ZfuGK veröffentlicht)  

Redaktion: Fachgruppe  Genossenschaftskommentar im SmartCoop ForschungsInstitut (SCFI) dem ThinkTank des MMWCoopGo Bundesverband der Cooperations- u. Genossenschaftswirtschaft e.V. (i.V.m. Experten aus Theorie und Praxis)

www.bundesverband-mmw.de   gks@menschen-machen-wirtschaft.de

 

  

31.03.21

Mitgliederförderung – Zwischen Sinn und Folgen?!


 

Der Genossenschaftskommentar - Ein Leitfaden für die Praxis

 

Frage:

Wir erleben derzeit eine wahre Flut von Versprechungen, was alles unter dem Begriff „Mitgliederförderung“ zu sehen ist. Ich bin selbst im Aufsichtsrat einer Genossenschaft und werde Ständig von zahlreichen Mitgliedern  unserer Genossenschaft bedrängt, unsere Mitgliederförderung erheblich auszuweiten. Unlängst war ich bei einem „Beratungsgespräch“ anwesend, weil ein Bekannter von uns, der zahlreiche Immobilien hat, von einem „Berater“ angesprochen wurde und einen Beratungstermin hatte. …

Ich hatte den Eindruck, auf einem „Förder-Basar“ zu sein, denn es gab fast keinen Bereich, der angeblich nicht „förderfähig“ wäre – so der Berater. … Alles zum Wohle der Mitglieder, auch das noble Firmenfahrzeug oder die Mitglieder-Weiterbildung im „Ferienparadies“. Natürlich fehlten die „Bioküche“ und andere „Wohltaten“ nicht. Und der „Gründungsspaß“ recht teuer. Ziemlich viel für das Ausfüllen von einigen „Gründungs-Vordrucken“. …  Ich hätte den Preis ja noch verstanden, wenn es eine „gesicherte“ Zusage für die „Förderung“ gegeben hätte. Auf die Frage des anwesenden Steuerberaters meines Freundes, nach der „Belastbarkeit“ der Beratungsempfehlungen, wurde seitens des Beraters auf das Genossenschaftsgesetz und auf Kommentare dazu verwiesen. Insbesondere ein Herr Peutin (oder so ähnlich) wurde zitiert. Der sei eine große Nummer im Genossenschaftsbereich. … Der Steuerberater verwies immer wieder auf die „ungesicherte“ „Steuerlage“ hin, es gäbe bisher dazu keine gesicherte Rechtsprechung. ….

Was soll ich nun glauben? Habe ich als „Aufsichtsrat“ etwas falsch gemacht oder sind da „Scharlatane“ unterwegs, die nicht wissen, was sie tun:

·         Man provoziert den Gesetzgeber und trägt vielleicht dazu bei, das Genossenschaftsrecht einzuschränken. …

Wie sollte man sich verhalten?

Antwort:

Wir kennen die Thematik inzwischen recht gut und wundern uns schon, für wie naiv manche „Kunden“ und „Genossenschaftsberater“ die Gesetzgeber halten, die gerade jetzt die ganz normale „Wirtschaftstätigkeit“ (pandemiebedingt) mit hohen zusätzlichen Milliarden-Krediten „am Leben“ erhalten müssen. Diese zusätzlichen Staatsschulden müssen von den Steuerzahlern in den nächsten Jahren (zusätzlich) aufgebracht werden. …

Zur gleichen Zeit verkünden „eloquente“ Verkäufer den „leichten Weg zum Steuersparen“ zur Sicherung des „Vermögenswachstums“ – vorrangig für bereits „sehr gut Betuchte“, wie man landläufig sagen würde. …

Dies hat nichts mit einem „Genossenschaftskommentar“ zu tun, könnte man einwenden. Das sieht aber nur auf den ersten Blick so aus, denn wie Juristen wissen, wird bereits in den Anfangssemestern der Rechtswissenschaften gelehrt, dass „Recht“ auch „politisch“ ist. Manche sprechen „von zu Normen geronnener Politik“.

Natürlich kennt man auch den Unterschied zwischen „Legitimität“ und „Legalität“.

Nehmen wir einmal an, dass jemand meint, es könne zur Mitgliederförderung gehören, z.B.:

·         Einen überdurchschnittlich großen Sportwagen für die Genossenschaft anzuschaffen, um die Kinder von Mitgliedern zur Schule zu fahren;

·         Weiterbildung müsse in Mallorca oder in USA erfolgen;

·         Die moderne „Bio-Küche“ und die „Bio-Nahrung“ für die „Familie der Mitglieder“ anzuschaffen;

·         Das in die Genossenschaft eingebrachte Haus komplett zu sanieren,

etc..

So oder ähnlich, die „Verkaufs-Idee“ von „pfiffigen“ Genossenschaftsberatern. Das alles schreibt man „abstrakt“ in die Satzung und konkretisiert es über eine „Förderrichtlinie“ der Genossenschaft. ...

Recht zeitnah dürfte es in solchen Genossenschaften zu einer „Umsatzsteuer-(Sonder-)Prüfung“ kommen. …

Die Frage ist angemessen, mit welchen „Gesetzen oder Richtlinien“ dieser Steuerprüfer wohl ausgestattet ist? Wir vermuten, er ist mit Steuergesetzen, Steuer-Richtlinien und Arbeitspapieren der Oberfinanzdirektion (OFD) ausgestattet. Er oder sie hat Listen mit sog. Vergleichswerten zur „Angemessenheit“ dabei. Die Steuerprüfung wird sich an der zentralen Frage dieser „Angemessenheit“ orientieren und - wahrscheinlich in zwei Richtungen gehend - zunächst so lauten:

·         Wie wäre der Vorgang aus der Sicht eines Vergleichs mit anderen Unternehmensformen zu beurteilen?

Sind Sportwagen, Weiterbildung in USA, Bio-Küche, Haussanierung, etc. schon „beurteilt“ worden?

·         Wie sind diese Situationen – abweichend – bezogen auf die Besonderheit einer Genossenschaft – unter Berücksichtigung der Spezifik „Mitgliederförderung“ – zu sehen?

Wir fassen zusammen:

·         Es spricht natürlich nichts dagegen, eine „komfortable“ Mitgliederförderung „auszuweisen“. Das macht sich gut in der Situation „Verkauf einer Beratungsleistung“.

Aber ist das auch im Interesse des Genossenschaftsgedankens allgemein und einer zukunftsfähigen, rechtssicheren Mitgliederförderung im Besonderen?

Nichts spricht dagegen, die Mitgliederförderung – der Grundgedanke der Genossenschafts-Idee – latent den jeweilig konkreten Momenten einer jeweils konkreten Genossenschaft – anzupassen, um die „Wirtschaft“ (der Genossenschaft und deren Mitglieder) – ganz wie es im GenG vorgesehen ist - zu fördern.

Wir haben jedoch Bedenken, dies als eine Art „Vertriebskonzept“ aufzubauen und zu popularisieren, weil man bereits hiermit zum Ausdruck bringt, eben diese „Einzelfall-Entscheidung“ oder anders ausgedrückt, die unterschiedlichen Situationen (zwischen und in Genossenschaften) eigentlich nicht berücksichtigt zu haben. ….

Auch wenn es zunächst („vertriebstechnisch“) Sinn machen könnte, die Mitgliederförderung zu „standardisieren“, wird das später – z.B. bei einer Betriebsprüfung oder einem Urteil des Finanzgerichtes – sich wahrscheinlich als – nicht unerheblicher Nachteil herausstellen können, weil:

·         Es eher unwahrscheinlich ist, dass man bereits vor einer Gründung – und au0erdem ganz allgemein abstrakt generell geltend - oder auch während des Gründungsvorganges einer jeweiligen Genossenschaft, bereits genau gewusst haben könnte, wie im Einzelfall die jeweils konkrete Genossenschafts-Förder-Situation aussehen werde. …

Mitgliederförderung ist eher eine „variable“ und von Genossenschaft zu Genossenschaft divergierende, spezifische Situation. Ohne Einzelfall-Betrachtung – also bezogen auf Sachverhalt und sogar den gewählten Zeitpunkt – sowie jeder speziellen Art und Geschäftsbetrieb einer Genossenschaft, macht man sich unnötig „angreifbar“ gegenüber den – ganz sicher nicht unkritischen Einstellungen – von zunächst Steuerprüfern und danach wohl auch Finanzgerichten. …

Es sollte nachdenklich machen, weshalb der Gesetzgeber (GenG) ausgerechnet den „zentralsten“ Unterschied dieser Unternehmensform zu anderen Rechts-Formen, sozusagen das „Herzstück“ einer Genossenschaft - die Mitgliederförderung - eben nicht besonders konkretisiert hat, sondern es bei (abstrakt-generellen) Hinweisen in § 1 GenG bewenden lässt, um die Grundvoraussetzungen für eine „Genossenschaft“ zu definieren:

 

Zunächst die – alte – Fassung, die seit Entstehung des GenG – 5/1889 (RGBL1,55) bestand:

 

·         „Gesellschaften von nicht geschlossener Mitgliederzahl, welche die Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb bezwecken …“ (sind Genossenschaften)

 

Die seit 17.07.2017 geltende Fassung des GenG (BGBL 1 S. 2541) lautet nunmehr:

 

·         „Gesellschaften von nicht geschlossener Mitgliederzahl, deren Zweck darauf gerichtet ist, den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder oder deren soziale oder kulturelle Belange durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu fördern (Genossenschaften), erwerben die Rechte einer "eingetragenen Genossenschaft nach Maßgabe dieses Gesetzes.“

 

Bei einem Vergleich beider (aktuell bestehenden) Formulierungen könnte man zu folgenden Überlegungen kommen:

 

A.

·         Der Erwerb oder die Wirtschaft soll durch „soziale und kulturelle Belange“ – in der gleichen Genossenschaft - ergänzt werden.

oder

·         Es sollen nunmehr auch (solche) Genossenschaften entstehen können, die (als Unternehmensgegenstand) die sozialen oder kulturellen Belange ihrer Mitglieder fördern.

 

Eine andere Interpretation könnte jedoch z.B. lauten:

 

B.

·         Genossenschaften, die dem Erwerb oder die Wirtschaft dienen, sollen auch (also zusätzlich) die sozialen und kulturellen Belange ihrer Mitglieder wahrnehmen können.

 

Wir fügen diese Betrachtung deswegen an, weil eine überzogene, abstrakt generelle Betrachtungsweise sogar herausfordern könnte, infrage zu stellen, ob es sich denn bei solchen Konstrukten überhaupt (noch) um eine Genossenschaft handelt? …

 

Es steht mehr zur Diskussion, als bisher angenommen. Noch befindet sich alles in einer Art „Klärungs-Vor-Phase“.

 

Es geht nicht nur darum, die Mitgliederförderung zu „optimieren“, es kann auch darum gehen, zu vermeiden, dass diese „Turbo-Förder-Diskussion“ in ihr Gegenteil umschlägt und man   sich plützlich - bezüglich der Mitgliederförderung - grundlegend - in der „Rechtfertig-ungs-Defensive“ zu befindet.

 

Wir wollen das hier nicht näher thematisieren, nicht unnötig mit dem „Feuer“ spielen, aber die Zeiten sehen derzeit eher – finanzpolitisch – nach „Restriktionen“ aus, als nach großzügigeren Erweiterungen in Richtung Ausweitung von „Steuervergünstigungen“ aus. …

 

Vor allem sollte man dringend überprüfen, ob es wirklich Sinn macht, aktiv zu „werben“ mit den „tollsten Sparmodellen via Genossenschaften“. Dazu zählt auch, quasi das Verteilen von Vordrucken, also von „Standardlösungen“.

 

Um nicht missverstanden zu werden:

 

·         Es ist durchaus von Vorteil, wenn sich die „Rechtsnorm Genossenschaft“ von dem Klischee befreit, lediglich „eine Veranstaltung zur Behebung von sozialen Nachteilen zu sein. Wenn man Genossenschaften (auch) als eine wichtige Rechtsform zur Entwicklung des Kooperativen Wandels“ ansieht (und das ist sie durchaus), dann sind Wege richtig und wichtig, z.B. im wirtschaftlichen Mittelstand Akzeptanz zu finden. Hier stehen wichtige und interessante Themen für genossenschaftliche Lösungen an. Genossenschaften bieten sich – geradezu ideal – zu intelligenten Lösungen, wie z.B. die Unternehmensnachfolge.

 

Auch die Kombination von Genossenschaften mit anderen „Systemen“, wie z.B. Stiftungen oder Vereine ist interessant.

Mit dem Konzept „MitUnternehmer“ entsteht z.B. eine stärkere Identifikation der Beschäftigten zum Unternehmen (anderer Rechtsformen). Auch die Kombination von anderen Rechtsformen mittels Genossenschaften („Mitarbeiter-Genossenschaft“ z.B. für Gruppen-vorteile) oder die „Stärkung von Vereins-Finanzen“ mittels „Vereins-Genossenschaften“, sind Wege in eine Kooperative Innovations-Gesellschaft.

Solche Perspektiven würden jedoch geschwächt, wenn man:

·         Genossenschaften auf „Steuer-Spar-Ideen“

reduzieren würde.

Aber vielleicht war bisher alles nur ein „Missverständnis, weil das eigentliche (genossenschaftliche) Potential noch nicht erkannt wurde.

Die Rechtsform Genossenschaft wird - ohne Zweifel - für immer mehr (freie) Berufe mit „beratendem Charakter“ interessant. … Genossenschaftsberater, die mit Unternehmensberatern, Steuerberatern, Rechtsanwälten, kooperieren wollen, werden nicht umhinkommen, das „gesamte Spielfeld“ zu betrachten und vor allem „Langfrist-Nutzen“ (statt „Strohfeuer“) zum wechselseitigen Vorteil definieren müssen. … 

Mitglieder-Förderung ist für alle Formen von Genossenschaften viel zu wichtig, um sie zur Disposition zu stellen.

Wer aber meint, lediglich überzogene Erwartungen zum Förderzweck in Genossenschaften sei das Problem, der sollte wissen, dass auch das Gegegenteil nicht akzeptabel ist.   

 

Redaktion: AG Genossenschaftskommentar- in Verbindung mit - SmartCoop Forschungsinstitut (SCFI) „ThinkTank“ des MMWCoopGo (Bundesverbandes für die gesamte Cooperatins- u. Genossenschaftswirtschaft) i.V.m. Experten und Fachleuten des Bereichs Genossenschaften. Beiträge der Redaktion werden u.a. im Blog https://genossenschaftskommentar.blogspot.com veröffentlicht.  Mails senden Sie bitte an:  info@menschen-machen-wirtschaft.de

 

 

 

 

        

  

26.08.19

Macht eine „gutachterliche Äußerung“ überhaupt Sinn. Und wenn „ja“, wann, wie und warum?




In der derzeitigen Form ist eine „Gründungs-Prüfung“ nur eine „zusätzliche Einnahmequelle“ für die Verbände. Der Gesetzgeber ist dringend gefordert!  


Fragen aus der Praxis

„Gutachterliche Prüfung in der Gründung“

Der Genossenschaftskommentar - Ein Leitfaden für die Praxis



Frage:
Wir haben inzwischen zahlreiche Anwälte gefragt, was der Sinn einer „gutachterlichen Äußerung“ eines Prüfungsverbandes sein könnte, wenn es doch vor der Eintragung in das Registergericht überhaupt noch keine „eG“ gibt? Meist „ernteten“ wir nur ein „breites Grinsen“.
Wir sind vor der Eintragung noch nicht einmal in der Lage ein „Bankkonto“ zu eröffnen. Außerdem sind einige potenzielle Mitglieder nicht bereit, vor der Eintrag ins Register, Mitglied der Genossenschaft zu werden, weil sie in diesem Stadium „unbegrenzt“ haften. Mit Mühe haben wir einige Mitglieder dazu bewogen, in diese „Haftungsfalle“ einzutreten, um „formal“ die geforderten Gremien zu besetzen. Um das Risiko der „Mutigen“ gering zu halten, haben wir das Haftkapital so gering wie möglich gehalten. Das hat uns von unserem Prüfungsverband eine Menge unnötige Rückfragen eingehandelt, weil man meinte, dass die Geschäftsanteile zu gering seien. …
Außerdem wollten die – wirklichkeitsfremden - Jungs von der „Verbandsbürokratie“ wissen, wie unser Geschäftskonzept aussieht. Wir haben – wahrheitsgemäß – von einem „vorläufigen Konzept“ gesprochen. Das wollten die aber nicht gelten lassen. Genauso war es mit dem „Business-Konzept“. Auch das ist natürlich nur vorläufig, weil die potenziellen Fördermittel-Einrichtungen sagten, dass wir vor der Eintragung für sie   überhaupt nicht „existieren“. Einige Eltern wollten auch ihre Kinder gern als Mitglieder aufnehmen. Auch das geht nur mit einer Entscheidung des Familiengerichts. Das ist anders, wenn die Genossenschaft bereits eingetragen ist. Und das Familiengericht lehnte das ab, weil man das „Risiko“ für die Kinder nicht abschließend beurteilen könne. …
Eingedenk dieses Durcheinanders hat man den Eindruck, dass es gute Gründe gibt, weshalb in Deutschland die Neugründung von Genossenschaften zu „sparsam“ läuft. Ein Gutes hatte jedoch die „Episode Gründung – Sprüche und Wahrheit“ schon. Wir haben erfahren, dass es diese „Luftnummer“ „gutachterliches Orakel“ außer in Deutschland, nur noch in Österreich gibt. In allen anderen EU-Ländern – wie z.B. Frankreich oder Italien – kommt man ganz ohne „Gründungsbehinderungen“ aus. Und wir waren erstaunt, wie gut das geht. Entweder sind die Menschen in Deutschland „blöder“ als in anderen Ländern oder die Verbände sind in Deutschland klüger, zumindest was das „Verkaufen von Sinnlos-Leistungen“ betrifft. ...
Wie lange wollen wir in Deutschland uns noch von „gierigen“ Verbänden den möglichen „Gründungs-Boom“ von Gemeinschaftsunternehmen kaputtspielen lassen?
Also doch lieber eine UG gründen?
Unsere Anwälte und auch die IHK (!) - haben uns jedenfalls dazu geraten …, denn es steht zu befürchten, dass auch die weitere Zusammenarbeit mit solchen Verbänden nichts Gutes erwarten lässt.
An unserer Uni werde ich jedenfalls – vorerst -nicht mehr für Genossenschaftsgründungen werben …
Dabei wäre eigentlich alles ganz einfach: Man gründet ohne die „Luftnummer“ - Gutachten für eine Genossenschaft, die es noch nicht gibt die Genossenschaft - trägt sie ein und verpflichtet die Genossenschaft, sich dann einem Prüfungsverband zu suchen und sich innerhalb des ersten Jahres prüfen zu lassen. Dann macht das auch Sinn für Kreditgeber, denn die wissen dann wirklich, wie sie die Forma einschätzen müssen.
In der jetzigen Form ist das etwa so, als ob man eine Wettervorhersage als Beleg dafür nimmt, wie das Wetter tatsächlich wird. Der Begriff „Gutachten“ steckt im Begriff „gutachterliche Äußerung“ drin und erweckt einen Eindruck, der in dieser Form einfach nur „irreführend“ ist. …      

Antwort:
Wir könnten es uns einfach machen und sagen: Jetzt ist dringend der Gesetzgeber gefordert, um dieses Problem so zu lösen, dass eine Stellungnahme eines Prüfungsverbandes wirklich einen Wert bekommt. ….
Wir sind nicht Ihrer Meinung, dass eine Zusammenarbeit zwischen Genossenschaft und Prüfungsverband keinen Sinn macht, weil es durchaus bei solchen Verbänden eine nicht zu unterschätzende Kompetenz in Sachen Genossenschaft gibt. Denken Sie nur an den Bereich Förderung der Mitglieder. Deshalb ist es auch nachvollziehbar, von einer „Betreuungs-Prüfung“ zu sprechen, also den Beratungs- und Betreuungseffekt in den Mittelpunkt zu stellen. …
Dies gilt ab der Begründung einer Mitgliedschaft in einem Prüfungsverband.
Mit der letzten Novelle des Genossenschaftsgesetzes (Ziel: Vereinfachung der Gründung von Genossenschaften) hat man richtig erkannt, dass es „Rechtsform-Nachteile“ für Genossenschaften gibt. Deshalb hat man auch die Prüfung von Kleingenossenschaften erleichtert. Wie Sie durchaus zu Recht anführen, gibt es wohl weitere Vereinfachungsnotwendigkeiten. …
Eigentlich spräche nichts dagegen, eine Stellungnahme eines Prüfungsverbandes nach der Eintragung einzufordern. Sie führen richtigerweise an, dass die Genossenschaft im Gründungsstadium keine Haftungsbegrenzung hat. Aber genau das wollen die Mitglieder beanspruchen. Deswegen interessiert die Mitglieder – nach – der Eintragung (und nicht vor der Eintragung) z.B. eine hochwertige Stellungnahme des Prüfungsverbandes. Sie wollen keine „Orakel-Stellungnahme“, sondern fundierte Aussagen dazu, wie sich die Genossenschaft tatsächlich entwickeln könnte. Dazu bedarf es jedoch aller Informationen, besonders auch eines „belastbaren Businessplanes“, der z.B. keine etwaigen, sondern faktische Finanzierungsgrundlagen beinhaltet. …
Nur dann kann erst z.B. ein Punkt, wie „Gefährdung der Belange der Mitglieder“ (§ 11 GenG) überhaupt beurteilt werden. Ähnlich sind die wirtschaftlichen Verhältnisse, insbesondere die Vermögenslage der Genossenschaft zu sehen. Da das eigentliche Unternehmenskonzept – so sehen es Banken und weitere Mitglieder völlig richtig - erst nach der Eintragung definitiv „Qualität“ bekommen, würde der Gesetzgeber wirklich gut daran tun, den Zeitpunkt einer „Stellungnahme mit Verlässlichkeit und höherer Qualität“ des Prüfungsverbandes nach der Eintragung zu verlagern.
Ihre Frage, ob andere EU-Staaten in Sachen Genossenschaften sogar ohne „Pflichtgutachten“ oder gar ohne „Pflichtmitgliedschaft“ in einem Prüfungsverband auskommen, vermögen wir nicht zu beurteilen.
Die Frage allein schon ist jedoch „Herausforderung“ genug für jeden Verband und den Gesetzgeber. …
Käme jemand auf die Idee, die Frage nach einer „Harmonisierung des Genossenschaftswesens“ in Europa stellen, sind wir recht sicher, dass andere Staaten sich nicht dazu verpflichten lassen würden, sich an Deutschland zu orientieren. Sofern man solche (durchaus peinlichen) Initiativen aus dem Wege gehen will, sollte man zunächst dafür sorgen, das deutsche Genossenschaftssystem wieder als „Vorzeige-=Projekt“ zu gestalten. Wer das „Einfallstor Genossenschaftsgründung“ in Verbindung mit Neugründungen sieht, kann nicht umhin, als genauer zu untersuchen, woran es liegt, dass es in Deutschland z.B. im Jahre 2017 lediglich 3 (!) Netto-Neugründungen zu verzeichnen hatte, während in anderen EU-Ländern der Zuwachs an Genossenschaften gleichzeitig boomte. … Und die gern gepflegte Idee, dass „Gründungs-Gutachten“, „Pflichtprüfung“ von oder „Pflichtmitgliedschaft in einem Spezialverband“ „etwas damit zu tun hätte, dass die „Insolvenz-Quote“ dieser Rechtsform deshalb so niedrig sei, könnte sich auch als „unbewiesene Behauptung“ herausstellen. Also eine „Harmonisierungs-Klage“ beim Europäischen Gerichtshof riskieren? Das könnte nicht unbedingt vorteilhaft für Deutschland ausgehen …
Also schaffen wir – aus Einsicht und im Interesse für einen Fortbestand des deutschen Sonderweges - nicht unbedingt „künstliche“ Hürden, denn es könnte genau an dieser Stelle durchaus ein „Klageinteresse“ bestehen, das eine recht große Chance hätte, erfolgreich – gegen den deutschen Sonderweg - zu enden …  
Für einen Sonderweg „Genossenschaft in Deutschland“ einzutreten wird es nur dann Sinn machen, wenn genau umgekehrt folgende Situation eintreten würde:

·         Wir könnten andere EU-Länder davon überzeugen, dass wir in Deutschland wirklich den Spuren von Raiffeisen und Schulze-Delitzsch „leuchtturmhaft“ gefolgt sind beispielhaft konsequent vorangegangen sind und weiter gehen werden, besser als dies die anderen EU-Ländern bisher getan haben ….  

Schauen wir uns das Bild - in Bezug auf Genossenschaftsgründungen - insgesamt an, so wäre eine Novellierung des § 11 Abs. 2 Ziff. 3 GenG ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.im Sinne eines deutschen „Nachteilsausgleichs“ bei Neugründungen …

Lassen Sie uns eine abschließende Bitte äußern, die eigentlich weniger mit Ihrer Frage zu tun hat, aber sich darauf bezieht: Sie verändern Genossenschaftswesen nicht durch „Negativ-Werbung“. Wichtiger ist jetzt, den Kurs „Pro Genossenschaft“ zu halten und dafür engagiert zu wirken 



FragestellerIn:  Aufsichtsratsvorsitzender und Student der Rechtswissenschaften


Redaktion: AG Genossenschaftskommentar- in Verbindung mit - SmartCoop Forschungsinstitut (SCFI)
des MMWCoopGo Bundesverbandes e.V.
(für Cooperatins- u. Genossenschaftswirtschaft) info@menschen-machen-wirtschaft.de