Bereich
Gründung einer Genossenschaft
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Frage
(Auszug)
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Warum wird die Gründung einer Genossenschaft so
„bürokratisiert“ und teuer gemacht. … Besonders die „Gründungsgutachten“ sind
dabei ein Problem … In anderen
EU-Ländern gibt es keine solchen Hindernisse. Aber dafür gibt es dort viel
mehr Genossenschaftsgründungen als in Deutschland. …
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FragestellerIn: Studentin im Rahmen einer Bachelor-Arbeit
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Antwort
(Auszug)
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Zunächst einige rechtliche Hinweise:
Das Genossenschaftsgesetz (GenG)
fordert in §11 Abs. 2 Ziff. 3, dass der Anmeldung einer Genossenschaft zur
Eintragung in das Genossenschaftsregister beizufügen ist:
„die Bescheinigung eines
Prüfungsverbandes, dass die Genossenschaft zum Beitritt zugelassen ist sowie
eine gutachterliche Äußerung des Prüfungsverbandes, ob nach den persönlichen
oder wirtschaftlichen Verhältnissen, insbesondere der Vermögenslage der
Genossenschaft, eine Gefährdung der Belange der Mitglieder oder der Gläubiger
der Genossenschaft zu besorgen ist.“
Hier tritt bereits das erste
Problem auf: Es gibt eigentlich nicht „die“ Genossenschaft. Vielmehr gibt es
eine Vielfalt von Motiven, die zu einer Gründung führen. Da könnte es z.B.:
·
Genossenschaften
geben, die sehr „teambezogen“ und regional sind und bleiben wollen, z.B. zur
Gründung eines „Buchhaltungsbüros“ diese Rechtform wählen.
·
Genossenschaften
geben, die überregional tätig sind und mehrere einzelne Firmen unter einem
„Dach“ vereinen wollen.
·
Genossenschaften,
die Forschung und Entwicklung integrieren möchten und dazu weitere Mitglieder
(als Teilhaber) für einen notwendigen Aufbau von Eigenkapital benötigen.
·
Genossenschaften
des Wohnungsbaus. Auch hierfür benötigt man weitere Teilhaber, um Grundstücke
zu erwerben und Häuser zu bauen.
·
Genossenschaften,
die eine Schule besonderer Art betreiben wollen.
·
Genossenschaften,
die einen Beitrag zur Energiewende leisten möchten und dazu eigene Anlagen
zur Energieerzeugung erwerben wollen.
·
Genossenschaften,
die eine Handelsplattform betreiben möchten
·
…
Die Beweggründe sind höchst
unterschiedlich und variabel.
Damit wollen wir auf ein wichtiges
Problem hinweisen, das allen – und weiteren anderen Projekten – eigen ist:
·
Ein
Prüfungsverband – muss, bevor die
„Firma“ überhaupt eingetragen wird, eine gutachterliche Äußerung erstellen,
in der dieser die Vermögenslage, eine Gefährdung der Belange der Mitglieder
oder der Gläubiger beurteilen soll.
So etwas im Gründungsstadium zu
fordern, ist eigentlich recht „situationsfremd“
für eine Firmengründung. Sie erkennen allein schon anhand der Aufzählung einiger
– von vielen, vielen weiteren Gründungssituationen - dass das tendenziell
eher „kontraproduktiv“ sein könnte. …
Gründer argumentieren zu Recht,
dass sie meist in diesem Stadium überhaupt nicht so weit sind, detailliert
Fragen – wie die un „gutachterlichen Äußerungen“ gefordert, beantworten zu
können.
Viele Gründer argumentieren
weiterhin – durchaus nachvollziehbar – dass erst nach der Eintragung des gegründete Unternehmens überhaupt mit
z.B. Banken, Fördermittelstellen, privaten Geldgebern, Lizenzgebern, etc.
sprechen können. Manche Banken richten sogar in diesem Stadium noch nicht
einmal ein „Firmenkonto“ ein.
Weiterhin argumentieren solche
Gründer, dass sie auch mit „Eintragungshindernissen“ der Registergerichte rechnen
müssen, die vorab nicht zu erkennen waren.
Wenn man das alles „praxisnah“
zusammenfasst, wird jedem Gründer recht schnell klar, dass eine „Gutachterliche Äußerung“ – in der
geforderten Art, für sie keinen Sinn macht, vor allem keinen „Mehrwert“ bedeutet.
...
Wir vollziehen durchaus gut nach,
wenn engagierte Genossenschaftler fordern, diese Art von „Gutachterlicher Äußerung“ wegfallen zu lassen.
Damit bewahrt man auch „Gründer“
davor, sich wieder vom Gedanken der Gründung einer Genossenschaft zu
verabschieden. Also doch wieder GmbH oder UG? ….
Wir halten jedoch „Lösungsansätze“
für problematisch, wenn in „Insiderkreisen“ – besonders bei kreativen
Jugendlichen - sozusagen als
„Ausweichlösung“, diskutiert wird, den Prüfungsprozess dadurch zu
beschleunigen und kostenmäßig zu senken, dass man dem Prüfungsverband nur so
informiert, dass keine „Nachfragen“ entstehen. Gemeint ist wohl das, was
unter „getürkt“ zu verstehen wäre. …
Dafür werden auch gleich ‚Argumente
geliefert, wie z.B.:
·
„Man wisse
zu diesem Zeitpunkt nach nicht, was man endgültig unternehmen wolle“, weil
sich das erst – wie bei anderen Rechtsformen durchaus nicht unüblich – erst
genauer „nach“ der Eintragung in
das Register entscheide… Erst wenn eine „juristische Person“ geworden sei, werde man
überhaupt in der „Geschäftswelt“ wahrgenommen …
Daraus leitet man ab, dass es
„legitim“ sei, erst nach der Eintragung ins Register, mit der eigentlichen
Unternehmenskonzeption zu beginnen.
Hinzu komme, dass man zwar eine
„Grundidee“ habe, diese jedoch anpassungsfähig bzw. elastisch sein und
bleiben müsse, weil Gespräche mit potenziellen Partnern, wie
Kreditinstituten, Fördermittelpartnern, Kooperationspartnern, etc. eine
gewisse Anpassungsfähigkeit des Unternehmens erforderlich mache.
Genau dieser unternehmerische
„Anpassungsfähigkeit“ würde von einer „gutachterlichen Äußerung“ eines
Prüfungsverbandes wahrscheinlich verhindert …
Solche Argumentationen können
Prüfungsverbände – sofern sie nicht „wirklichkeitsfremd“ oder gar „gründungsblockierend“
sein wollen, nicht einfach ignorieren. …
Dies vor allem nicht aus folgenden
Gründen:
A. Es Könnte sich damit andeuten, dass Prüfungsverbände
eine „gutachterliche Äußerung“ erstellen zu einem Sachverhalt, der
nachfolgend gänzlich anders ist, wie er sich zum Zeitpunkt der Erstellung der
„gutachterlichen Äußerung“ darstellte.
B. Die Prüfungsverbände „Kosten“ produzieren, die nicht nur
völlig überflüssig wären und keinen „Mehrwert“ für die Gründer bedeuten
(können).
C. Diese Art „gutachterliche Äußerungen“ leiten auch u.U. Dritte in die Irre, die keine Insider
sind und meinen, eine „gutachterliche Äußerung“ sei ein Dokument, das etwas
über den Erfolg der Unternehmensentwicklung aussage. ...
D. In der Gründungsphase benötigt ein „Startup“ nützliche
Hinweise zur erfolgreichen Unternehmensentwicklung. Das hat jedoch wenig mit
den Themen der „gutachterlichen Äußerung“ zu tun, die nach einer „Gefährdung
der Belange der Mitglieder“ bzw. einer „Gefährdung der Gläubiger“ fragen.
Was wäre allerdings eine solche
„Gefährdung der Belange der Mitglieder“.
·
Welcher
Mitglieder?
·
Die von
aktuell oder die von später?
·
Wann später
und ob überhaupt „später“
Und was wäre z.B. eine „Gefährdung
der Gläubiger“?
·
Welche
Gläubiger?
Banken z.B.?!
Wir sind sicher, die werden wissen
– zum gegeben Zeitpunkt - wann sie oder was sie prüfen und welcher
Sicherheiten es bedarf
Wir verstehen den „Unmut“ über
diese Art einer „gutachterlichen Äiußerung“ nach § $ 11 Abs. 2. Ziff.3
durchaus, denn sie ist einer der größeren Kostenpositionen am Anfang der
Unternehmensgründung. …
Wir halten ihre Hinweise für sehr
interessant, diese Art von „gutachterlicher Äußerung“ in der Startphase
gänzlich in Wegfall zu bringen und stattdessen die tatsächliche
Unternehmensentwicklung des ersten Jahres zu beurteilen.
Dadurch würden sicherlich
zahlreiche „Probleme“ entschärft, wie z.B.
·
Zu hohe
Kosten für eine „gutachterliche Äußerung‘, die keinen „Mehrwert“ bringt bzw.
erbringen kann
·
Vermeidung
von Irritationen von Dritten, die in dieser „gutachterlichen Äußerung“ –
fälschlicherweise – Anhaltspunkte vermuten, die etwas mit der
Unternehmensentwicklung als solche zu tun hätten.
·
Wie der
Begriff „gutachterlich“ bereits sagt, ist es eine „IST-Aufnahme“, die eine
kurze „Verfallszeit“ hat bzw. haben kann. …
Mit dem Begriff „gutachterliche
Äußerung“ erweckt der Gesetzgeber in der Öffentlichkeit den Eindruck, dass
etwas Relevantes zur Entwicklung eines Unternehmens ausgesagt würde. Diesen
Eindruck in der Öffentlichkeit zu verbreiten wäre mehr als „fahrlässig“, weil
es etwas „vorgaukelt“, was so einfach nicht stimmig ist bzw. sein kann …
Gleichwohl sind wir nicht gegen
eine enge Zusammenarbeit zwischen Genossenschaft, Mitgliedern und Verbänden,
besonders in der Startphase.
Aber diese Zusammenarbeit muss Sinn
machen, Mehrwert für den „Coop-Starter“ schaffen und vermeiden, dass
Menschen, die sich an einer neu gegründeten Genossenschaft beteiligen wollen,
mittels einer „gutachterlichen Äußerung“ in die Irre geführt werden können.
Nicht absichtlich, aber durchaus möglich …
Deshalb neigen wir, dazu, den
Stellenwert dieser Art „gutachterliche Äußerung“ des Prüfungsverbandes eher
„niedriger“ als bisher aufzuhängen. Wenn überhaupt, dann kann sie lediglich
eine zusätzliche Betrachtung für den Verband sein, der die Genossenschaft
aufnimmt.
Als Alternative zu einer
„gutachterlichen Äußerung“ sollte man Aussagen zu Stärken und Schwächen des
Unternehmenskonzeptes geben, die sowohl für Mitglieder, wie auch für die
Gremien der betreffenden Genossenschaft „Mehrwert“ bedeuten würden.
Insgesamt würden wir zu folgender
Neuausrichtung für Genossenschaftsgründungen raten:
·
Die
Genossenschaft wird – wie bisher - in einem Prüfungsverband Mitglied. Der
Verband berät bei den Besonderheiten der Gründung und erteilt eine
Bescheinigung zum Beitritt.
·
Das Mitglied
kann sich – freiwillig – jederzeit
im ersten Geschäftsjahr einer Art „Unternehmens-Entwicklungs-Check“
(UEC) seitens des Prüfungsverbandes unterziehen. Dies könnte z.B. Sinn
machen, falls Banken oder neue Mitglieder bezüglich der
Unternehmensentwicklung oder des Förderprinzips zu überzeugen wären.
·
Nach Ablauf
des ersten Geschäftsjahres – sollte jede Genossenschaft verpflichtet sein, einen „Unternehmens-Entwicklungs-Check“ (UEC) seitens des zuständigen Prüfungsverbandes durchzuführen. Über diesen „Check“ erstellt
der Prüfungsverband einen Bericht.
Sollte damit die bisherige
„gutachterliche Äußerung“ ersatzlos gestrichen werden? Ja durchaus, denn in
ihrer jetzigen Form ist sie weder für die Genossenschaft, noch für andere
Interessenten wirklich von Interesse. Es sind einfach nur „Sinnlos-Kosten“, die
Genossenschaftsgründungen unnötig - auch zeitmäßig – belasten.
Besonders fatal ist die Wirkung,
wenn mit diesem „Papier“ dann noch „Werbung“ seitens der ‚Genossenschaft
gemacht wird. Dann wird eine „Sicherheit vorgegaukelt“, die weder vom
Gesetzgeber beabsichtigt war, noch im Interesse des Genossenschaftssektors
liegt.
Und was könnte geschehen, wenn der
Gesetzgeber nicht oder nicht zeitgerecht reagiert und den § 11 Abs 2 Ziff3
nicht funktional vernüftig regelt?
Dann wäre z.B. an eine Art –
verbandlicher - „Zwischenlösung“ zu
denken:
·
Die Verbände
ergänzen entsprechend ihre Satzungen ….
Das könnte z.B. so aussehen:
·
Der
zuständige Verband untersagt seinen Mitgliedern, „gutachterliche Äußerungen“ -
in welcher Form auch immer – werbend zu nutzen. Sofern davon in Einzelfällen
abgewichen werden soll, bedarf es der Zustimmung des Verbandes.
·
Der
zuständige Verband fügt am Ende der „gutachterlichen Äußerung“ Hinweise bei,
die auf den tatsächlichen Charakter die „gutachterlichen Äußerung2 hinweisen
Abschließend wollen wir gern einen
anderen Aspekt Ihrer Fragen noch ansprechen. Dieser bezieht sich auf den
möglichen „Vertrauensschutz“ zugunsten von potenziellen Mitgliedern einer
Genossenschaft, die – unter Bezugnahme auf eine „gutachterlichen Äußerung“ –
im Rahmen von Werbeaktionen - von Genossenschaften eingeworben wurden.
Dazu verweisen wir auf unsere
vorstehenden Äußerungen.
Jedoch wollen wir ergänzen:
Wer sich daran beteiligt, in der
Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, dass eine „gutachterliche Äußerung“
– in der bisherigen Form – für potenzielle Mitglieder eine relevante
„Beitrittsmotivation“ sein könnte, sollte sich darüber im Klaren sein, was er
oder sie damit kundtut.
·
Es wird ein
falscher Eindruck in der Öffentlichkeit „stabilisiert“!
Wir sind sicher, dass seriöse
Rechtsberater wissen, was damit gemeint ist.
Das gilt auch als Appell für Ihre
Bachelor-Arbeit.
Wer im Interesse eines soliden,
moderne Genossenschaftswesens handeln möchte, der sollte helfen, dass
bürokratische Eintrittsbarrieren von Genossenschaften gemindert und deren
Erfolgsentwicklung erhöht werden.
Eine „gutachterliche Äußerung“ in
der bisherigen Form ist zweifellos eine „Markteinritts-Barriere“ für
„Coop-Starter“ und falscher „Signalgeber“ für das öffentliche Ansehen von
Genossenschaften. …
Deshalb ist eine Novellierung – wie
oben vorgeschlagen – ein Weg in die richtige Richtung …
Wir hoffen Ihnen mit unseren
Ausführungen Hinweise gegeben zu haben, Ihre – durchaus nachvollziehbare
Kritik zu relativieren und zurückzufinden, dass Genossenschaftsgründungen
nicht nur „Probleme“, sondern auch viele Chancen beinhalten, vor allem dann,
wenn das GründungsTeam sich erfolgsorientiert auf der „WirKraft-Spur“ bewegt.
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GENOSSENSCHAFTS-Kommentar (GenKom) ist eine Gemeinschaftsinitiative von ausgewiesenen Genossenschaftsexperten. GenKom gibt - nicht nur rechtliche - Antworten auf Fragen und Probleme für alle Genossenschaftsbereiche. GenKom will zugleich Anregungen geben, den Genossenschaftssektor - in allen Bereichen - attraktiv und nachhaltig zu gestalten. Um praxisnah zu sein, beantworten wir gern auch aktuelle und Fragen von allgemeinem Interesse.
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16.03.19
"Gutachterliche Äußerung" - Ein größeres Missverständnis!?
Eingestellt von
MMW - Menschen machen Wirtschaft - Bundesverband der Cooperations- u. Genossenschaftswirtschaft e.V..
um
05:04
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