GENOSSENSCHAFTS-Kommentar - interaktiv

GENOSSENSCHAFTS-Kommentar (GenKom) ist auch "interaktiv": Sie können uns gern Ihre Fragen zusenden. Sofern Fragen von allgemeinerem Interesse sind, werden wir diese - nebst unseren Antworten - ganz oder auszugsweise - veröffentlichen. Koordination/Redaktion: Gerd K. Schaumann

18.04.15

Förderzweck – Das KERN-Stück jeder Genossenschaft

Frage:

Als Aufsichtsrat einer Genossenschaft bin ich mir nicht sicher, was genau der Förderzweck bedeutet, insbesondere wie weit dieser ausgebaut werden kann …
Gibt es dazu einige Ideen?
   
             
GK-Antwort:

Lassen Sie uns zunächst ganz allgemein antworten:
Eine Definition, die den Förderzweck festlegt oder einschränkt gibt es nicht.
Aus dem gewählten Unternehmensgegenstand ergibt sich so etwas wie eine grundlegende Orientierung, in welche Richtung der KERN-Bereich des Förderzweckes ausgerichtet ist.
Nehmen wir dazu praktische Beispiele, vielleicht eine Wohnungsbaugenossenschaft und eine Energiegenossenschaft.

Bei einer Wohnungsbaugenossenschaft wird das vorrangige Interesse der Mitglieder wahrscheinlich in folgende Richtung gehen:
·         Wohnraumversorgung (Miete)
·         Wohneigentum bilden
Der Förderzweck, weitgehend auf die Interessen der „nachfragenden“ Mitglieder gerichtet könnte dann sinngemäß lauten:
·         Preisvorteile, Mieterschutz, gezielte Eigentumsbildung.
Der Förderzweck orientiert sich – zunächst - vorrangig an der Ausrichtung der Genossenschaft, der sich aus dem „Zweck bzw. Gegenstand des Unternehmens“ (Satzung) ergibt.

Etwas unklarer könnte es sein, den Förderzweck einer Energiegenossenschaft in seinem KERN zu bestimmen. Dies gilt vor allem dann, wenn die Genossenschaft nicht direkt Energie an ihre Mitglieder liefert oder von Mitgliedern selbst erzeugte Energie über die Genossenschaft vermarktet.
Oft findet man hier so etwas wie einen „erweiterten“ Förderzweck. Die Mitglieder möchten z.B. einen Beitrag zur „Energiewende“ leisten. Die Genossenschaft bündelt hier z.B. die Geschäftsanteile der Mitglieder, um selbst in größeren Mengen „umweltkonforme“ Energie zu erzeugen, z.B. durch Anschaffung von entsprechenden Energieerzeugungssystemen (BHKWs, Solarfelder, Windanlagen, usw.).

Als einzige Rechtsform hat eine Genossenschaft das „Fördern“ ihrer Mitglieder – gesetzlich – fixiert: Sie muss sozusagen – um diesen gesetzlichen Vorgaben gerecht zu werden, ihre MITGLIEDER fördern.
Mit der Umsetzung des Förderzweckes kann die Genossenschaft auch teilweise oder gänzlich Dritte beauftragen.

Dass eine Genossenschaft auch Rendite ausschüttet, ergibt sich sozusagen als Folge ihres wirtschaftlichen Handelns.
Eine Rendite ist jedoch allenfalls eine Ergänzung zum Förderzweck, jedoch niemals deren KERN.
Ausschließlich mittels der Förderung der Mitglieder eine Rendite zu erzielen ist möglich. Jedoch die Mitgliederförderung lediglich auf die Rendite zu reduzieren, die aus Drittgeschäften gespeist wird, würde dem Genossenschaftsgedanken zuwider laufen.       

Nun wäre es vermessen, z.B. von einer Wohnungsbaugenossenschaft zu erwarten, dass alle Mitglieder auch tatsächlich Anspruch auf z.B. preiswerten Wohnraum haben. Leicht einzusehen, dass bei Geschäftsanteilen von z.B. 500 EUR je Mitglied kein Wohnraum zu schaffen ist.
Um dem Ziel einer tatsächlichen Realisation näher zu kommen, kann die Genossenschaft satzungsmäßig festlegen, dass – gebunden an z.B. die Größe des Wohnraums – die Höhe der Mindest-Geschäftsanteile differenziert und eine Mindesthöhe festgelegt wird.
Aber auch das wird – gerade in der Aufbauphase einer Genossenschaft – nur schwer darstellbar sein.
Daraus ergibt sich, dass der Förderzweck keine „Anspruchsgrundlage“ für konkrete Einzelmitglieder sein kann und ist, sondern eine „Generalnorm“ und latenter Auftrag zum Handeln bedeutet.
Andererseits kann jedoch auf einen Förderzweck nicht verzichtet werden, weil damit die Frage im Raum steht, ob das Unternehmen überhaupt eine Genossenschaft ist …
Die Lösung:
Es bietet sich an, eine separate „Förder-Richtlinie“ für die Mitglieder zu erarbeiten und zu beschließen. In dieser Richtlinie wird genauer festgelegt, wie die Durchführung der Förderung geplant ist.

Abschließend noch ein wichtiger Hinweis:

Je größer eine Genossenschaft ist, umso interessanter ist es, die Förderung zugunsten der Mitglieder systematisch zu erweitern. So entstehen vielfältige Möglichkeiten von Gruppenvorteilen, die zugunsten der Mitglieder entfaltet werden können. Dazu empfiehlt sich, den Kontakt mit den Mitgliedern systematisch und intensiv zu pflegen.

Zusammengefasst:

·      Beim Förderzweck geht es immer um die Förderung der Mitglieder. In diesem Sinne ist z.B. auch die gesetzliche Definition (§1 GenG) zu verstehen, die bei einer Genossenschaft von einem „gemeinschaftlichen Wirtschaftsbetrieb“ spricht.
·         Der Förderzweck ist grundsätzlich offen für zusätzliche Fördermöglichkeiten, die sich zugunsten der Mitglieder im Laufe der Zeit ergeben.
·         Entwicklung und Ausgestaltung des Förderzwecks gehört zu den grundlegenden Aufgaben des Vorstandes, diesen zu überwachen, zur Aufgabe der Aufsichtsräte.
·         Der Förderzweck ist immer und ausschließlich mitgliederbezogen und muss über den Renditegesichtspunkt hinausgehen. Damit ist z.B. kein Förderzweck gegeben, wenn eine Wohnungsbaugenossenschaft lediglich Wohnungen an Dritte vermietet oder Häuser zum Erwerb von Dritten baut. Das schließt jedoch nicht aus, dies zu tun, sofern seitens der Mitglieder tatsächlich kein Interesse besteht.  





   

11.04.15

Das Recht auf Informationen über die Termine von Generalversammlungen

Frage:

Ich bin Mitglied einer größeren Genossenschaft. Noch nie habe ich eine Einladung zu einer Generalversammlung erhalten. Auf Nachfrage erhielt ich folgende Antwort: Gemäß unserer Satzung wird zu Generalversammlungen durch eine Anzeige in der „Frankfurter Allgemein Zeitung“ eingeladen. Das hat meiner Meinung nach nichts mit Demokratie, Vertrauen und Gemeinschaft zu tun, worum es doch in einem modernen Genossenschaftswesen eigentlich geht. … 
Hier scheint es eher darum zu gehen, Distanz zu den Mitgliedern zu halten, um egoistische Interessen von einigen Wenigen „Machtträgern“ zu pflegen.
Was kann und was sollte man dagegen tun?
   
             
GK-Antwort:

Zunächst ganz allgemein gesagt: Genossenschaften, die solche Satzungsregelungen haben, sollte man meiden, wenn man Wert auf Mitwirkung legt.
Leider ist erst bei wenigen Menschen das usgeprägt, was ein Modernes Genossenschaftswesen unabdingbar benötigt: SELBSTVERANTWORTUNG.
Wer Teil einer solchen Gemeinschaft werden will, muss ein Minimum an Verantwortung auf- und einbringen wollen. Wer darauf verzichtet, sollte sich später nicht „wundern“, wenn die Dinge anders laufen als gedacht….

Sicherlich gibt es auch durchaus gute Gründe, weshalb man wählt, dass eine Veröffentlichung z.B. über die Homepage erfolgt. Hier könnte es z.B. um das Thema gehen: Nachweis, dass alle Mitglieder eingeladen wurden.
Das ist besonders bei Genossenschaften mit vielen Mitgliedern, die zudem noch weit verstreut wohnen, der Fall sein.
Einladungen per Post sind recht aufwändig, kosten viel Geld und stellen nicht sicher, dass eine Generalversammlung angefochten wir, weil einige Mitglieder behaupten können, dass ihnen Briefe nicht oder nicht rechtzeitig zugegangen seien.
Dieses Argument ist nicht von der Hand zu weisen, ändert aber auch nichts an dem, was Sie kritisieren, denn es gibt heute durchaus Möglichkeiten, Mitglieder besser zu informieren, ohne wesentlichen Mehraufwand und Mehrkosten.

Dafür sind z.B. folgende Kombinationen denkbar:

·         Zum Nachweis der ordnungsgemäßen Einladung an alle Mitglieder veröffentlicht man auf der Homepage. Schon hier stellt sich die Frage, ob diese Veröffentlichung wirklich erst 14 Tage vor der Generalversammlung erfolgen muss, oder ob man nicht längere Fristen wählt. Das Gesetz legt Mindestfristen fest, zugunsten der Mitglieder kann diese Frist ohne weiteres auch 4 Wochen oder auch mehr betragen …
·         Nichts spricht dagegen, zusätzlich auch die Mitglieder über E-Mail zu informieren. Auch wenn nicht jedes Mitglied über eine solche Adresse verfügen sollte oder diese veralten könnte, ist hier eindeutig erkennbar, dass man sich um die Teilnahme der Mitglieder bemüht.
·         So eine Kombination lässt sich auch satzungsmäßig verankern, man muss nur genug  w o l l e n, dass Mitglieder (faktisch) kommen (können)…

Lassen Sie es uns so zusammenfassen:

·         Wer in Satzungen liest, dass tendenziell wenig oder überhaupt kein Interesse am Erscheinen der Mitglieder besteht, sollte  v o r  der Entscheidung zur Mitgliedschaft nachfragen, ob man gewillt ist, ihm „Zusatzangebote genau dazu zu machen. Warum keine gesonderten Zusagen vereinbaren? Lassen Sie sich doch einfach vom Vorstand der Genossenschaft bestätigen, dass man Sie zu jeder Generalversammlung zusätzlich per E-Mail einlädt. Und erst, wenn das erfüllt ist, treten Sie bei …. Wird das nicht erfüllt, treten Sie eben nicht bei.

Übrigens:

Bewusst handelnde Mitglieder sind zwar noch die Ausnahme. Aber je mehr es sich rumspricht, dass man sich besser als bisher auf eine Mitgliedschaft „vorbreiten“ muss, umso eher werden sich Veränderungen anbahnen.



Genossenschafts-Kommentar (GK)


Warum einen Genossenschafts-Kommentar – es gibt doch schon einige Kommentare zum Genossenschaftsrecht?
   
             
GK-Antwort:

Alle Kommentare haben sicherlich ihre Berechtigung und ihren Wert. Alle Kommentare haben jedoch auch ihre Besonderheiten, die man kennen sollte:

·         Sie sind meist von Juristen geschrieben. Aber das Recht bildet nur einen Teil des Ganzen ab.
·         Sie sind oft von Verbänden initiiert und gefördert. Aber Verbände haben auch ihre Interessen. Und diese müssen nicht unbedingt immer konform mit der lebendigen Praxis gehen.
·         Sie bauen auf einem eher vergangenheitsbezogenem „Bild“ von Genossenschaften auf. Gestaltungskraft für Aktualität und nachhaltige Zukunft entwickeln sie wenig.
·         Sie scheinen irgendwie „trocken“, manchmal sogar „spröde“ zu sein. Das ist das totale Gegenteil, von dem, was Genossenschaft sein könnte oder sogar sein sollte: Faszinierend, begeisternd, herausfordernd …
·         Kurzum: Es ist Zeit, für etwas NEUES! Einst war Deutschland in Europa Vorbild für ein Modernes Genossenschaftswesen. Heute sind wir eher der „Entwicklungshilfe“ anderer Staaten bedürftig …

Und das könnte ein (neuer) GENOSSENSCHAFTS-KOMMENTAR ändern?

·         Nein, das können nur die MENSCHEN ändern, die Genossenschaften ausmachen, Genossenschaften praktisch gestalten.

Aber:

·         Der neue GENOSSENSCHAFTS-KOMMENTAR (GK) kann und will dafür – praxisbezogene - Unterstützung bieten!

Wir freuen uns auf eine lebendige Diskussion …